Demokratie in Europa stärken- unterwegs als Wahlbeobachter in Bosnien und Herzegowina

Am Sonntag, 3. Oktober 2022, fanden in Bosnien und Herzegowina gleichzeitig mehrere Wahlen statt: Die Bürger:innen haben nicht nur das dreiköpfige Staatspräsidium des Gesamtstaates gewählt, sondern auch die zwei Kammern der Föderation Bosnien und Herzegowina und die Legislative der ebenfalls zum Gesamtstaats gehörenden Republik Srpska. Außerdem wurden in der Föderation Bosnien und Herzegowina auch die Kantonsräte in den zehn Kantonen gewählt.

Ich durfte durch den Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarats (KGRE) als akkreditierten Wahlbeobachter bei diesen Wahlen dabei sein.  Dies, weil die Wahlkommission von Bosnien und Herzegowina im Juli 2022 den KGRE dazu eingeladen hat, die Wahl zu beobachten, um faire und transparente Wahlen sicherzustellen.  Als Wahlbeobachter war ich so zusammen mit 17 weiteren Kolleg:innen des KGRE beauftragt, die Wahlen in den Kantonen in Bosnien und Herzegowina zu beobachten. Ich selbst war im Kanton Zentralbosnien am Wahltag von 6:30 Uhr bis 22:00 Uhr unterwegs.

Am Freitag und Samstag vor der Wahl wurden wir für diesen Zweck vom Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte der OSCE und der zentralen Wahlkommission Bosnien und Herzegowina unter anderem über das Wahlsystem und die korrekten Abläufe informiert. Am Wahltag selber fuhren wir dann in Zweierteams von Wahlbeobachter:innen zu verschiedenen Wahllokalen, stets begleitet von einem:r Übersetzer:in und einem:r Fahrer:in. Dabei geht es im wesentlich darum zu prüfen, ob der Ablauf der Wahl den Regeln entsprechend verläuft, ob genügend offizielle Wahlzettel vorhanden, die Wahlurnen versiegelt sind, die Voraussetzungen für eine geheime Wahl eingehalten werden etc.

Ich habe mit meiner ungarischen Kollegin Cecilia Friderics insgesamt 17 Wahllokale unangekündigt besucht und davon jeweils ein standardisiertes Protokoll angefertigt. Die örtlichen Wahlkommissionen in dem überwiegend ländlichen Gebiet Zentralbosniens waren stets freundlich und gut vorbereitet für die Wahlen. Wir hatten insgesamt wenig Beanstandungen. Allerdings gab es gelegentlich zerbrochene Siegel an Wahlurnen und Handys befanden sich auf den Tischen der lokalen Wahlkommissionen, obwohl dies bei diesen Wahlen erstmals verboten war. Da ich schon 2018 bei einer Wahlbeobachtung in Bosnien und Herzegowina dabei war, konnte ich feststellen, dass der Vorschlag vom Europarat nun umgesetzt wurde, den Namen der Wähler:innen nicht mehr laut im Wahllokal zu verlesen, wenn sie ihre Stimme abgeben. Es stand auch vor jedem Wahllokal ein:e Polizist:in, um die freie Wahl sicherzustellen. Im Einsatz für die Wahlbeobachtung fiel besonders auf, wie viele junge und engagierte Menschen die Demokratie annehmen und mit Leben füllen. Obwohl die Wahlvorbereitung lange durch ethno-nationalistische Interessen blockiert wurde, brachten sich vielerorts Menschen für die Weiterentwicklung der Demokratie ein.

Ich gratuliere allen demokratischen Kräften zum Wahlerfolg, den ehrenamtlichen Wahlhelfer:innen in den etwa 1.600 Wahllokalen und der Wahlkommission, die diese Wahlen trotz gelegentlicher Hindernisse im Vorfeld ermöglicht hat, für ihren Einsatz. Die Wahl ist zum größten Teil friedlich verlaufen.

Mein Eindruck bei meiner Mission war, dass insbesondere auf vielen Ebenen noch dringend Versöhnungsarbeit der politischen Ebenen und der verschiedenen Ethnien in den kommenden Jahren notwendig sein wird, um das gesamte Land in eine stabile Demokratie und gute Regierungsarbeit zu bringen. Nur so wird es langfristig gelingen, wichtige konkrete Herausforderungen zu meistern: zum Beispiel die Luftverschmutzung in Städten mit Kohlekraftwerken oder die Stärkung der Justiz für eine erfolgreiche Bekämpfung der Korruption.

 

Zum Hintergrund

Ich darf das Land Baden-Württemberg im KGRE vertreten. Dies ist ein beratendes Gremium des Europarates, welches gewährleistet, dass regionaler und lokaler Gebietskörperschaften an der Arbeit des Europarates beteiligt werden. Der Europarat ist ja eine internationale Organisation, welche seit dem Ausschluss Russlands am 16. März 2022 noch 46 Mitgliedstaaten. Er setzt sich schwerpunktmäßig mit dem Schutz der Menschenrechte, dem Eintreten für Rechtsstaatlichkeit und der Entwicklung der Demokratie in den Mitgliedstaaten auseinander und hierfür ein. Im Sinne des zuletzt genannten Punktes – der Entwicklung der Demokratie – laden Mitgliedsstaaten, so auch Bosnien und Herzegowina, den Europarat immer wieder zu Wahlbeobachtungsmissionen ein.

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