Ende April 2023 war ich als Vizepräsident des Oberrheinrats eingeladen zur Grenzraumakademie welche von mehreren Bundesministerien veranstaltet wurde und wo Forschungsergebnisse des Projekts CoBo (Cohesion in Border Regions) vorgestellt wurden. Auf einem Panel von Abgeordneten aus ganz Deutschland konnte ich über unsere Erfahrungen und Ausblicke in der Oberrheinregion im Dreiländereck berichten.
In Grenzräume wird schnell sichtbar, wo die Schwierigkeiten und Lücken der EU-Integration liegen. Deshalb haben auf den ersten Blick regionale Themen eigentlich eine europaweite Relevanz. Die Bedeutung der Grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zeigt sich auch durch den gesonderten Ausschuss im baden–württembergischen Landtag für Europa und Internationales, in welchem grenzüberschreitende Themen gesondert angegangen werden – dieser ermöglicht einen besonderen Fokus und Aufmerksamkeit für grenzüberschreitende Themen. Eine wichtige Vermittlungsrolle kommen den Abgeordneten der Wahlkreise aus den Grenzregionen zu, um grenzüberschreitende Belange hörbar zu machen. Diese sind in der Regel auch im trinationale besetzten Oberrheinrat aktiv. Der Oberrheinrat ist an sich schon selbst eine Erfolgsgeschichte: er besteht seit über 26 Jahren und ermöglicht regelmäßigen Kontakt, der zwischen den Gewählten Vertrauen und Zusammenhalt schafft. Dieses Vertrauen hatte sich besonders in der Covid-Pandemie bewährt.
Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit darf nicht daran scheitern, dass auf der anderen Seite der Grenze eine andere Partei sitzt oder andere Verwaltungsstrukturen vorzufinden sind. Politische Differenzen müssen überwunden und gemeinsame Grundlagen gefunden werden, um gemeinsame Problemstellungen besser und schneller für die Menschen lösen zu können.
Wir sollten jedoch mehr Experimente wagen und Instrumente für eine verstärkte Zusammenarbeit auf regionale Ebene schaffen oder vorhandene nutzen:
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- Die Experimentierklausel aus dem Aachener Vertrag müsste in der Praxis endlich erprobt werden. Der 2019 von Präsident Macron und Kanzlerin Merkel unterzeichnete Aachener Vertrag ermöglichte eigentlich eine kleine Sensation: Die im Vertrag festgehaltene Experimentierklausel enthält die Möglichkeit, für bestimmte Projekte Ausnahmeregelungen von nationalem Recht zu erlassen. Das betont den „Laborcharakter“ des deutsch-französischen Grenzraums. Das Problem dabei ist: die Idee hat seit der Unterzeichnung des Aachener Vertrags noch keine praktische Anwendung gefunden.
- Außerdem ist der Prozess betreffend des European Cross Border Mecanism (ECBM), der mithilfe von Ausnahmeregelungen von nationalem Recht Hindernisse der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit beseitigen wollte, von einigen Mitgliedsstaaten blockiert worden. Ich hatte bereits früher dazu im Ausschuss der Regionen Stellung genommen.
Doch eine große Gefahr besteht für das Gesamtprojekt Europäische Union besonders wieder in den nächsten Wahlen 2024:
Euroskeptische Parteien sabotieren die europäische Integration – das hat auch für die praktische Kooperation vor Ort Folgen. Wer die EU-Integration ausbremst, bremst auch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit aus. Andersrum gilt: wir müssen konkrete, gelingende Projekte im grenzüberschreitenden Raum stärken und auch die proeuropäischen Kräfte für die Europawahl 2024. Im deutsch-französischen Grenzraum BW-Grand Est machen wir schon vieles gut, können aber auch noch besser werden und müssen noch mehr auch über die Erfolge reden!
Rechte Parteien dürfen nicht normalisiert werden, sondern es müssen klare Linien gezogen werden. Eine unklare Abgrenzung durch die Zusammenarbeit mit rechten Parteien, wie es im Europaparlament geschehen ist oder wieder erwogen wird bei der EVP mit Fidesz, PiS, Meloni, sowie „rechtspopulistische Schwedendemokraten“ lässt die Grenzen zu diesen destruktiven Kräften verschwimmen. Den Desinformationskampagnen mit fake news muss sich die Europäische Union und jeder Nationalstaat massiv entgegenstellen, um die europäischen Demokratien und den Einigungsprozess zu schützen.
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