Moria steht für eine gemeinsame europäische Herausforderung

Die Brände im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos liegen jetzt über einen Monat zurück. Trotzdem war es mir wichtig, in meiner Rede im Rahmen der 140. Plenarsitzung des European Committee of Regions die Solidarität mit den Flüchtlingen aus Moria und die große Hilfsbereitschaft lokaler und regionaler Gebietskörperschaften anzusprechen. 

Denn Moria ist kein griechisches Problem – Moria steht für eine gemeinsame europäische Herausforderung.

Den Anstoß, dieses Thema anzumelden, hat Frau Landtagspräsidentin Muhterem Aras aus Baden-Württemberg gegeben. Auf der Präsidiumssitzung des AdR am 11. September – also nur zwei Tage nach den Bränden in Moria – forderte sie alle Teilnehmenden auf, sich der gemeinsamen europäischen Werte, die auf den universellen Menschenrechten fußen, bewusst zu werden und die menschenunwürdigen Zustände auf Lesbos zu beenden. 

Frau Aras appellierte an ein gemeinsames Bekenntnis zur Aufnahme von Flüchtlingen. Daraufhin hat das Präsidium am letzten Freitag eine Erklärung zu Moria verabschiedet. Es handelt sich dabei um eine gemeinsame Erklärung aller politischen Gruppen. Das zeigt mir, dass der AdR die globale Verpflichtung der EU in Sachen Humanität und Solidarität sehr ernst nimmt. 

Ich durfte Frau Landtagspräsidentin Aras im Ausschuss der Regionen am 14.10.2020 vertreten und dort mit einer Rede zu Moria Stellung nehmen. Ein Ausschnitt dieser Rede ist im unterstehenden Video zu sehen.

Stellungnahme zu Moria in einer Rede per Videokonferenz im AdR am 14.10.2020

Die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften lassen nicht zu, dass die gemeinsamen Werte der EU konterkariert werden. Die Präsidiumserklärung des AdR zu Moria verstehe ich aber auch als ein wichtiges Signal der Solidarität mit allen Ländern an den Außengrenzen der EU.

Bemerkenswert ist für mich außerdem, dass die Vertreterinnen und Vertreter der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften der Lage in Moria eine weitaus größere humanitäre Bedeutung beigemessen haben, als es viele Mitgliedsstaaten in der EU getan haben – obwohl Letztere auf nationaler Ebene für die Entscheidung über die Aufnahme von Migrantinnen und Migranten zuständig sind.

Zahlreiche Regionen und Kommunen haben ihre Bereitschaft signalisiert, Geflüchtete aufzunehmen. Allein in Deutschland sind es fast 200 Städte.

Einen ausdrücklichen Dank an alle Städte und Regionen, die hier ganz konkret unsere europäischen Werte leben und damit auch verteidigen. Sie zeigen jenen Mitgliedsstaaten, die sich von unseren gemeinsamen Werten wegbewegen, den Weg, wie eine mit den europäischen Werten vereinbarende Flüchtlingspolitik aussieht.

Unabdingbar ist aus meiner Sicht dabei, dass alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union endlich zu einer klaren Flüchtlingspolitik zurückkehren, die im Einklang mit dem Völkerrecht und dem EU-Recht ist.

Menschenrechte sind nicht teilbar, sondern müssen als Ganzes gelten, sonst steht am Ende Anarchie.

Lassen Sie mich das noch mit einem Bild verdeutlichen:

Die Europäische Union ist eine große Familie.

Wie in jeder Familie gibt es auch bei uns Regeln. Wir als Union haben uns mit den Kopenhagener Kriterien und einigen weiteren Verträgen sogar sehr detaillierte Regeln schriftlich gegeben. Das ist in dieser Form in Familien zwar nicht üblich – aber diese gemeinsamen Vereinbarungen helfen, damit das Zusammenleben unserer großen Familie „EU“ leichter wird.

Wenn eine Schwester oder ein Bruder dieser Familie in Schwierigkeiten kommt, dann ist es klar, dass alle zusammen helfen, damit diese Schwierigkeiten überwunden werden. 

Auch auf der kommunalen Ebene funktioniert dieses Prinzip ja ganz gut: 

Wenn ein Haus in Ihrer Stadt gebrannt hat und die Menschen dort vor dem Nichts stehen, dann helfen sie als Bürgermeisterin oder Bürgermeister ihren Bürgerinnen und Bürgern, wie wenn sie Schwestern und Brüder wären.

Wenn auf einer griechischen Insel ein Wohnort von über 13.000 Menschen abbrennt, dann heißt das für die Europäische Union nichts anderes: 

Wir haben die Pflicht diesen Menschen und auch jenen zu helfen, die unter der dadurch ausgelösten Notlage direkt und indirekt leiden, weil sie Schwestern und Brüder dieser Europäischen Union sind.

Auf Lesbos muss deshalb unsere Solidarität unseren griechischen Schwestern und Brüdern gelten, sowie unseren Schwestern und Brüdern, die aus Syrien und anderen Ländern dorthin geflüchtet sind. 

Also selbst, wenn wir nicht alle dem christlichen Grundsatz der „Goldenen Regel“ aus der Bergpredigt verbunden wären, die sagt: „Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen! (Mt 7,12), dann haben wir uns doch darüber hinaus mit den Kopenhagener Kriterien und vielen Verträgen gebunden, gemeinsam die Menschenrechte zu wahren.

Diese werden und müssen wir achten und verteidigen. Dafür steht für den AdR der Name Moria!

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